Baby Haven?

admin
Di, 10. Dez 2019

Eigentlich wollen wir in diesem Blog ja über das Studium schreiben. Aber ich denke, es lohnt sich noch weiter vorne anzufangen…
Es ist Sonntagnachmittag in Windhoek und ich liege am Swimming-Pool im “Paradisegarden Hostel”, unserer Unterkunft für die nächsten 6 Monate: ein schönes Backpacker hinter hohen Mauern. Man könnte vergessen, dass man in Namibia ist, wären da nicht die schwarze Putzfrau Elsi und der bewaffnete schwarze Guard auf der Terrasse, der für einen Stundenlohn von 2 Dollar - umgerechnet knappe 20 Eurocent - in 12-Stunden-Schichten unser Haus bewacht. Ich habe ihn noch nicht gefragt, aber bei 24 Dollar am Tag ist die Wahrscheinlichkeit ziemlich groß, dass auch er, wie so viele hier, in Katatura lebt - dem Township Windhoeks, wie Frederik schon geschrieben hat. Katatura bedeutet “Ort, an dem wir nicht bleiben möchten”, aber wieviele der Menschen dort haben schon die Wahl?

Einfahrt des “Baby Haven”
Man hört viel über Katatura. Es sei trotz aller Armut ein fazinierender Stadtteil. Es muss wohl einen Grund haben, warum sich einige Stadtguides hier auf Führungen durch Katatura spezialisiert haben. Auch uns wurde gesagt, dass, wenn wir die Chance haben dorthin zu gehen, wir diese auf jeden Fall ergreifen sollten - natürlich nur in Begleitung eines Schwarzen. Alles andere sei zu unsicher.
Heute habe ich die Chance: Anne und Steffi, zwei Studenten der Sozialpädagogik aus Deutschland, die auch in meinem Hostel wohnen, machen ein dreimonatiges Praktikum in einem Kinderhort, dem “Baby Haven”. Heute ist ihr vorerst letzter Tag dort und als sie fragen, ob ich einmal mit wolle, bin ich dabei.

Im “Baby Haven” wachsen Kinder zwischen 0 und 10 Jahren auf. Viele sind wochentags in der Schule, aber heute ist Sonntag und so graben sich schnell 30 Kinderhände in die Joghurteimer, die Anne und Steffi mitgebracht haben. Zwar ist der Hort essensmäßig einigermaßen gut versorgt. Dass die Eimer jedoch nach 2 Minuten leer sind, zeigt, dass es nie genug sein kann. Wer fertig ist, beschäftigt sich mit den weißen Fremden und so habe ich schnell ein Kind am linken und eins am rechten Bein. Während ich noch damit beschäftigt bin, mein Hosentaschen vor flinken, kleinen Fingern zu schützen, erfahren Anne und Steffi, dass in der vergangenen Woche ein Baby gestorben ist. Woran genau, weiß man nicht. Dass sie nicht mehr essen wollte, das weiß man. Es wird in der nächsten Woche beerdigt. So ist es zumindest geplant. Steffi erzählt mir abends, dass die letzte Beerdigung erst nach 4 Wochen statt fand. Es gibt nicht genügend Gräber in Katatura.

Anne und Ben
Neben den beiden Deutschen arbeiten noch zwei-drei Afrikanerinnen im “Baby Haven”. Als dem kleinen Ben jedoch von Anne die Windeln gewechselt werden und die wunden Stellen und Entzündungen zum Vorschein kommen, wird klar, dass er in den letzten Tagen wohl nicht gewickelt wurde. Es ist eine Mischung aus Wut und Verwunderung, wissend, dass die anderen Angestellten sich im Wohnzimmer gerade die Haare flechten, anstatt sich um die Kinder zu kümmern. Anne benutzt keine Handschuhe um Ben mit selbst mitgebrachter Creme einzureiben, heute nicht. Offiziell haben drei der fünfzehn Kinder HIV/AIDS, vermutlich mehr…

Der Windelbaum
Hinter dem Haus befindet sich ein kleiner Spielhof. Ein Mädchen sieht, wie ich gerade den Windelbaum - ein Baum hinter der Grundstücksmauer, auf den die dreckigen Windeln geworfen werden - fotografiere und möchte auch ein Bild mit meiner Kamera machen. Statt diese wie befürchtet fallen zu lassen, macht sie dieses Bild mit Anne, Steffi und mir.

Als wir abends in der Wine Bar die Sonne über Windhoek untergehen sehen und Steffi noch einmal vom “Baby Haven” erzählt, wird mir klar, warum sie vor ein paar Tagen gesagt hat, dass “es ja doch alles nichts bringt”: Drei Monate haben die beiden deutschen Praktikanten in dem Hort gearbeitet, doch nach einer Woche sehe dort alles wieder aus wie vorher. Es bleibe die Hoffnung, dass der “Baby Haven” irgendwann nicht mehr von Deutschen unterstützt werden muss, dass Anne und Steffi vielleicht doch etwas dort gelassen haben, dass eben doch nicht alles umsonst war.

Was trotz aller Frustrationen bleibt, ist, dass 15 Kindern drei Monate lang geholfen wurde…
Und von Anne und Steffi weiß ich, dass sie Namibia jetzt schon vermissen…

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